Bolonka -
Nein zur Einzucht von Defektgenen!
Wenn jemand einen Menschen primär nach seiner Haarfarbe beurteilt, so werfen wir ihm im günstigsten Fall Dummheit vor. Bei Hunden ist das leider anders. Hier scheint die Fellfarbe nicht wenigen
Haltern und Züchtern das entscheidende Kriterium zu sein. In vielen Rassestandards wird der Beschreibung von Fellfarben deutlich mehr Raum gewidmet als etwa dem Wesen des Hundes. Ob das eine
tragfähige Grundlage echter Partnerschaft ist, mag jeder selbst beurteilen.
Anders ist es, wenn eine exotische Fellfarbe durch Defektgene erzeugt wird, die zulasten der Gesundheit der Hunde gehen. Dieses Risiko birgt das Defektgen Merle. Und dieses Risiko soll der bis
heute noch erfreulich gesunden Hunderasse Bolonka Zwetna aufgebürdet werden, hier und heute.
Der Merle-Faktor ist ein Gendefekt, durch den das Eumelanin, das die schwarze und braune Fellfarbe bewirkt, gestört ist und in dessen Folge bestimmte Aufhellungen und unregelmäßige weiße Flecken
in Fell entstehen. Auch die Augen können betroffen sein und erscheinen dann hellblau oder auch farblos.
Das sind aber nur die sichtbare Folgen. Die unsichtbaren kommen besonders dann in Erscheinung, wenn beide Eltern dieses Defektgen tragen und es im Nachwuchs zu homozygoten Merle-Trägern kommt.
Diese sind nicht selten taub, blind, kränklich und sterben oft noch im Jugendalter.
Merle ist eine Mutation, die schon sehr lange bei Hunden beobachtet wird. Bereits der römische Schriftsteller und Naturwissenschaftler Columella erwähnt sie. Auf zahlreichen historischen Gemälden
werden Hunde mit Merle-Farben abgebildet. Aber erst mit dem Aufkommen der modernen Rassehundezucht im 19. Jahrhundert wurde Merle gezielt züchterisch vermehrt, insbesondere bei Collies, Deutschen
Doggen oder auch Dackeln. Heute verzichtet man glücklicherweise weitgehend auf die Zucht so genannten Tiger-Dackel (siehe Foto). In einigen Rassestandards ist Merle ausdrücklich als eine
Farbvariante erlaubt.
Foto: Tiger-Dackel von 1894
Die Befürworter der Merlezucht behaupten, dass mischerbiges Merle keine Gesundheitsrisiken berge. Das ist ein
frommer Wunsch, der leider keinen wissenschaftlichen Beleg hat. Vielmehr bestätigt eine neuere Untersuchung den Verdacht, dass auch heterozygotes Merle gesundheitliche Risiken bergen kann (Strain
2009). Aber auch diese Untersuchung ist noch kein abschließender Beleg. Tatsache ist, dass die Wissenschaft das Feld der Fellfarben bisher kaum erschöpfend untersucht hat. Das Thema Fellfarben
ist wesentlich komplexer, als man vermuten könnte. Der Artikel auf Wikipedia gibt hier einen ersten Eindruck (http://de.wikipedia.org/wiki/Fellfarben_der_Hunde). Erst 2006 wurde das Merle-Gen überhaupt lokalisiert und damit erst die Grundlage
fundierter Untersuchungen gelegt. Klar ist aber, dass die Mutationen, die besondere Farbvarianten erzeugen, in vielen Fällen auch andere, zunächst nicht sichtbare Auswirkungen auf die Gesundheit
haben. Und klar ist ebenfalls, dass derselbe Gendefekt bei verschiedenen Hunderassen unterschiedliche Auswirkungen haben kann. Wir müssen also zur Kenntnis nehmen, dass wir uns beim Thema Farben
auf einem Feld bewegen, das in weiten Teilen ein weißer Fleck auf der Landkarte der Forschung ist.
Gerade deshalb sollte seriöse Zucht, die das Wohl und die Gesundheit der Hunde respektiert, sehr zurückhaltend agieren und keine unnötigen Risiken eingehen. Züchter und Zuchtvereine, die bewusst
mit Defektgenen arbeiten, sollten erst einmal den Nachweis erbringen, dass keine negativen gesundheitlichen Auswirkungen möglich sind. Ansonsten sollte man im Interesse des Wohls seiner
Hunderasse darauf verzichten. Ein weiterer Aspekt ist die Einschränkung der Zuchtauswahl in Verbindung mit Defektgenen. Da reinerbige Träger von Defektgenen mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit
gesundheitliche Schäden haben werden, achtet man mindestens auf eine Verpaarung von Carrier mit Nicht-Carrier. In den meisten Rasse-Populationen ist zum einen ein schon bedenklich hoher
Inzuchtgrad erreicht und zudem mehrere Erbkrankheiten gehäuft vorhanden. Da hat man eh Probleme, geeignete Partner zu finden. Diese Probleme werden nun lediglich wegen einer Farbvariante ohne Not
weiter verschärft. Das sollte im Interesse der Population vermieden werden.
Nicht wenige Hundehalter wollen mit ihren Hunden auffallen, wollen etwas Besonderes, das exotische Seltene präsentieren. Der Markt der Hundezucht hat zur Bedienung solcher Bedürfnisse gerade in
den letzten Jahren extreme Übertreibungen, ja Verkrüppelungen hervorgebracht, bis hin zu Qualzucht. Seltene Farben lassen Züchter von umso höheren Welpenpreisen träumen, die zweifelhafte
Hundefreunde auch zahlen. So wird Merle in Hunderassen eingezüchtet, die historisch nie von diesem Defektgen belastet waren. Es ist in den letzten Jahren geradezu eine Mode in der
profitorientierten Hundeproduktion geworden, Hunde in neuen Farbkreationen zu präsentieren wie Merle oder Dilutations-Farben wie grau oder schoko. Und es gibt leider Käufer hierfür. Es wird von
Tierschutz geredet, in der Praxis aber anders gehandelt.
So geschieht es aktuell beim Bolonka Zwetna. Das Merle-Defektgen wurde extra von einer anderen Hunderasse in den Bolonka eingekreuzt. Was die zahlreichen Erbkrankheiten aus der
Chihuahua-Population beim Bolonka anrichten können und welche Auswirkungen die Einkreuzung auf das Wesen des Bolonkas hat, spielt dabei keine Rolle, Hauptsache das Defektgen wird in die
Population geholt. Merle soll über einen Chihuahua eingekreuzt worden sein, natürlich ganz seriös. Dabei wird unterschlagen, dass Merle beim Chihuahua vom FCI-Standard ausdrücklich verboten ist.
Seriöse Zuchtvereine und Züchter haben sich schon immer daran gehalten. Der Merle-Chihuahua kann also nicht aus seriöser Zucht stammen! Es gibt zudem keinerlei Erfahrungen, wie der Merle-Faktor
beim Bolonka Zwetna auf Dauer wirkt. Ein zusätzliches gesundheitliches Risiko für Population und Individuum wird so in Kauf genommen für einen zweifelhaften optischen Effekt oder klarer gesagt
für den Profit. Das ist aus Tierschutzgründen abzulehnen, wie es einer aus Liebe zum Hund motivierten, seriösen Zucht allemal widerspricht.
Christoph Jung
Christoph Jung, Diplom-Psychologe und Biologe; studierte Biologie und Psychologie u.a. bei Reinhold Bergler, dem Mentor der deutschen Heimtierforschung. Von frühester Kindheit an mit Hunden und Katzen aufgewachsen. Beschäftigt sich seit vielen Jahren kritisch mit dem Zuchtgeschehen bei Rassehunden.